Die beiden grünen Landtagsabgeordneten Nese Erikli und Dr. Markus Rösler wollen die Streuobstwiese „Unterm Freiwiesle“ in Stahringen erhalten. Der Schutz von Streuobstbeständen insbesondere gegen Bebauung sei ein wichtiger Bestandteil eines gemeinsam mit Landwirtschaft und Naturschutz erkämpften Kompromisses im Biodiversitätsstärkungsgesetz vom Juli 2020. „Die Erhaltung der in gutem Pflegezustand befindlichen Streuobstwiese ist daher dringend geboten”, erklärt die Konstanzer Abgeordnete Nese Erikli.
Unterstützung erhält sie vom naturschutzpolitischen Sprecher der Grünen im Landtag, Dr. Markus Rösler: “Der §33a Landesnaturschutzgesetz zum Schutz von Streuobstbeständen gilt seit Juli 2020 für alle noch im Verfahren befindlichen und über 1.500 Quadratmeter großen Streuobstbestände. Zu diesem Zeitpunkt lag in Radolfzell noch kein rechtskräftiger Bebauungsplan vor. Die Mitteilung des Landratsamtes Konstanz, dass das Bebauungsplanverfahren zu diesem Zeitpunkt bereits “weitgehend abgeschlossen” war, ist juristisch völlig irrelevant. Der Schutz gilt seit Juli 2020 vollumfänglich. Und zwar auch für Vorhaben, die wie in Radolfzell im Rahmen der Regelung des § 13b Baugesetzbuch geplant werden. Das hat uns auch das Umweltministerium ausdrücklich bestätigt.”
Nach Angaben von Erikli habe das Landratsamt schriftlich bestätigt, dass die besagte Streuobstwiese „von großer Bedeutung sowohl für Natur und Landschaft als auch für den Artenschutz ist.” Es bestehe daher, so das Landratsamt „grundsätzlich ein erhebliches öffentliches Interesse an deren Erhalt.” Im Abwägungsprozess sei das Landratsamt aber zu der Überzeugung gelangt, dass das öffentliche Interesse am Erhalt der Streuobstwiese das öffentliche Interesse an der Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum nicht überwiegt.
Die beiden jeweils frisch wiedergewählten grünen Abgeordneten weisen dagegen auf den aus ihrer Sicht unmissverständlichen Gesetzestext in §33a Absatz 2 Satz 2 hin: „Die Genehmigung ((zur Rodung)) soll versagt werden, wenn die Erhaltung des Streuobstbestandes im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt, insbesondere wenn der Streuobstbestand für die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder für den Erhalt der Artenvielfalt von wesentlicher Bedeutung ist.”
„Wir werden diesen Vorgang daher dem Umweltministerium zur Prüfung vorlegen. Es darf natürlich nicht sein, dass 40 Streuobstbäume auf Basis falscher Annahmen über den Schutzstatus gerodet werden”, so Erikli. „Sowohl aus naturschutzfachlicher wie aus obstbaulicher Sicht wäre eine Vernichtung dieser hochwertigen und vollproduktiven Streuobstwiese unverantwortlich. Wir appellieren daher an die Stadt und auch an das Landratsamt, ihre Planungen an die seit Juli 2020 gültige Gesetzeslage anzupassen. Es kann und soll nicht sein, dass das Land Baden-Württemberg in hohem Konsens mit Landwirtschaft und Naturschutz einen Schutz von Streuobstbeständen gerade und speziell gegen Bebauung an Siedlungsrändern beschließt und das Gesetz dann gleich im ersten Jahr zum Papiertiger zu werden droht”, finden Erikli und Rösler drastische Worte.
Besonders pikant aus der Sicht von Rösler ist die Tatsache, dass der Streuobstanbau auf Antrag des Landes Baden-Württemberg erst kürzlich in die deutsche Liste des “Immateriellen Kulturerbes” aufgenommen wurde. „Es passt wahrhaft wie die Faust aufs Auge, auf der einen Seite mit dem UNESCO-Siegel für die Auszeichnung als immaterielles Kulturerbe zu werben und auf der anderen Seite gleichzeitig gut erhaltene, im Vollertrag befindliche Streuobstbestände abzuhacken”, kommentiert Rösler die Planungen in Radolfzell.