Offener Brief: Grenzschließung zwischen Konstanz und Kreuzlingen

Sehr geehrter Herr Innenminister Strobl,

Konstanz am Bodensee verkörpert und lebt schon auf Grund seiner geografischen Lage Internationalität: Trotz der EU-Außengrenze zur Schweiz sind die Städte Konstanz (D) und Kreuzlingen (CH) in den letzten Jahren stetig zusammengewachsen. Das Verschwinden von Grenzbefestigungen, die noch aus der Vorkriegszeit stammten, haben in den letzten Jahren einen zusammenhängenden Metropolbereich entstehen lassen. Im Ergebnis gibt es zwischen den beiden Städten heute keinen effektiven Grenzstreifen mehr. Die Hausbebauung ist bis an die Grenzen erfolgt, sodass die beiden Städte optisch nicht mehr auseinanderzuhalten sind. Im Alltag spielt die Grenze für die Menschen in Konstanz und Kreuzlingen keine große Rolle mehr und die Menschen fühlen sich miteinander verbunden. Viele pendeln zum Arbeiten zwischen den beiden Städten und es gibt viele Menschen, die ihre Partnerin oder ihren Partner, ihre Familie und viele gute Freunde in der anderen Stadt haben. Konstanz und Kreuzlingen sind zu Zwillingsstädten geworden, obwohl zwischen den beiden Kommunen eine Staatsgrenze verläuft.

Durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie wurde die Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz geschlossen. Derzeit darf die Grenze nur in absoluten Ausnahmefällen (z.B. Pflege eines Familienangehörigen oder Wahrnehmung des Sorgerechts) überschritten werden. Durch die Grenzschließung werden allerdings momentan viele Lebenspartnerschaften, Freundschaften und Familien voneinander getrennt, was eine enorme psychische Belastung für viele Betroffene darstellt.

In diesen schweren Zeiten nimmt der Gesundheitsschutz der Bevölkerung einen hohen Stellenwert ein. Die Verhinderung von weiteren Covid-19-Infektionen dient dem Schutz eines jeden einzelnen Menschen wie auch der Bewahrung unseres Gesundheitssystems vor einer Überbelastung. Beiden Aspekten wird richtigerweise höchste Priorität gewidmet und wird von uns in keiner Weise in Frage gestellt. Wir wollen allerdings den Blick auf den Gesundheitsschutz um einen weiteren Aspekt erweitern. Denn dazu gehört auch das psychische Wohlbefinden der Menschen.

Wir möchten Sie als Innenminister vor diesem Hintergrund persönlich bitten, regelmäßig gemeinsam mit dem Bundesinnenminister zu überprüfen, ob der doppelte Grenzzaun an der deutsch-schweizer Grenze zwischen Konstanz und Kreuzlingen aus Gründen des Infektionsschutzes weiterhin unabdingbar und ohne eine erweiterte Durchlässigkeit für einen eng begrenzten, zusätzlichen Personenkreis mit Wohnsitz in Konstanz oder Kreuzlingen notwendig ist.
Insbesondere bitten wir Sie im Namen der hier im Metrolpolbereich lebenden Menschen unter Berücksichtigung aller relevanten gesundheitlichen und sozialen Aspekte ernsthaft zu prüfen, ob es für Familien, Freunde, Lebenspartnerinnen und Lebenspartner gegebenenfalls großzügigere Ausnahmeregelungen für den Grenzübertritt nach Deutschland bzw. in die Schweiz geben könnte. Für die Menschen aus den beiden Städten Konstanz und Kreuzlingen haben sich in den Jahren der offenen Grenzen vielfache soziale, familiäre und partnerschaftliche Bindungen ergeben. Diese sind aber doch das, was die Menschen und unsere Gesellschaft zueinander finden lässt und auf das wir in und nach der Corona-Krise bauen wollen.

Abschließend weisen wir nochmal darauf hin, dass es uns gegenwärtig nicht um das Ermöglichen von Einkaufsfahrten, Tourismus und von Partys geht. Es geht uns darum, massive Beschränkungen beim Leben von Beziehungen in ihrer Härte zu dämpfen, ohne die dringenden Erfordernisse des Gesundheitsschutzes aus den Augen zu verlieren. Dies setzt voraus, dass die Angemessenheit der Maßnahmen regelmäßig hinterfragt wird.

Was es zumindest braucht ist ein Szenario, ab welchen Fortschritten bei der Bekämpfung des Virus die Durchlässigkeit der Grenze schrittweise wiederhergestellt wird.

Zusätzlich bitten wir Sie, diesbezüglich umgehend Gespräche mit der Schweizer Regierung und der Bundesregierung aufzunehmen.

Wir freuen uns über Ihre Antwort und stehen für Rückfragen gerne zur Verfügung
Mit freundlichen Grüßen

Nese Erikli, MdL; Dr. Franziska Brantner, MdB und Matthias Gastel, MdB